Daten | Klima
Hitze, Überschwemmungen, Dürren – der Klimawandel bestimmt die Zukunft der Generation Z. Vor allem aber kostet er Geld, viel Geld. Was muss passieren, damit die nächste Generation die Klimakosten bezahlen kann?
von Kilian Schroeder
Sie saß im obersten Stockwerk ihrer Wohnung in Dernau – fast die ganze Nacht. Dann erst ging das Wasser langsam zurück. Es wurde hell. "Das war heftig. Einfach zu sehen, was alles zerstört wurde", sagt Rebecca Arnoldy-Heimansfeld. Sie ist eine der Betroffenen der Flut im Ahrtal vor zwei Jahren – eine Katastrophe, die der Klimawandel nach Ansicht von Expertinnen und Experten wahrscheinlicher gemacht und verstärkt hat. Über fünf Meter stieg das Wasser zwischenzeitlich. Riesige Baumstämme seien an ihr vorbeigeschwommen. "Da wurde mir klar, welche Kraft das Wasser hat. Ich dachte, die ganze Region ist verloren."
Ein kleines Vermögen versank in den Fluten
Heute wohnt die 28-jährige Schulbegleiterin nicht mehr im Ahrtal, sondern an der Mosel. Für das Gespräch mit unserer Redaktion hat sie sich über ihr Handy zugeschaltet. Sie hat hochgesteckte braune Haare, trägt eine Brille und kommt schnell ins Erzählen, wenn es um die Flut geht. Fast alles aus ihrem alten Zuhause verlor sie damals – die Möbel, den PC. Ein kleines Vermögen ging in den Fluten unter.
Insgesamt 145 Milliarden Euro hat der Klimawandel zwischen 2000 und 2021 bereits gekostet – das sagt eine Studie, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Auftrag gegeben hat. Noch teurer wird es in den kommenden Jahren: Um 900 Milliarden Euro könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis zum Jahr 2050 schlimmstenfalls sinken – nur etwas weniger als das gesamte BIP der Niederlande. Die Einbußen kommen voraussichtlich, wenn die Generation Z mitten im Berufsleben steht. Die Wirtschaft in Deutschland könnte dann schrumpfen.
Mindestens
Milliarden Euro haben Extremwetterereignisse in Deutschland zwischen 2000 und 2021 gekostet. Darunter waren zum Beispiel...
Der Klimawandel wird teuer für die Generation Z
Berechnet haben diese Zahlen das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und das Unternehmen Prognos, ebenfalls im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Dafür haben die Forschenden anhand von Daten aus der Vergangenheit die Folgen der Extremwetter Dürre, Hitzewellen und Hochwasser auf die Volkswirtschaft analysiert – und wie wahrscheinlich diese sind. Niedrigwasser im Rhein würde die Schifffahrt behindern und so Lieferketten unterbrechen, eine Flut wie im Ahrtal Kosten für zerstörte Gebäude verursachen.
Was abstrakt klingt, wird für die Betroffenen schnell konkret: Arnoldy-Heimansfeld rechnet mit rund 30.000 Euro für Möbel, Kleidung und mehr, die sie und ihr Mann in den Fluten 2021 verloren haben. Andere habe es noch härter getroffen, erzählt sie.
Die Studie geht davon aus, dass es sowohl bei starkem, aber auch bei mittlerem und schwachem Klimawandel verstärkt zu sogenannten Extremwetterereignissen kommt. Das wären zum Beispiel Hochwasser oder Dürren. Was sich unterscheidet, ist die Wahrscheinlichkeit, die Häufigkeit und die Härte der Folgen, die diese Ereignisse haben.
Bei einem schwachen Klimawandel fallen diese Folgen schwächer aus. Versicherungen müssten in diesem Szenario im Jahr 2050 zum Beispiel 2 Milliarden Euro mehr für Extremwetter bereithalten, als das ohne Klimawandel der Fall wäre. Das Gesundheitssystem hätte mit den Folgen von durchschnittlich 4,5 Hitzetagen (Lufttemperatur über 30 Grad) mehr pro Jahr zu kämpfen. In der Land- und Forstwirtschaft würden die Preise steigen, allerdings nicht so stark wie in den anderen Szenarien.
Im mittleren Klimawandelszenario müssten die Versicherungen schon 3,5 Milliarden Euro für Schäden an Gebäuden bereithalten. Durchschnittlich 7,5 Hitzetage mehr als bisher kämen jedes Jahr auf Deutschland zu. In der Land- und Forstwirtschaft stiegen die Preise noch mehr als im schwachen Szenario – importierte Agrarprodukte kosteten im Jahr 2050 zum Beispiel etwa 13 Prozent mehr als in einem Szenario ohne Klimawandel.
Bei einem Szenario mit starkem Klimawandel ist die Summe, die Versicherungen für Extremwetter bereithalten, schon 5 Milliarden Euro höher als ohne Klimawandel – 2,5 Mal mehr als bisher. Deutschland müsste mit 10 Hitzetagen mehr im Jahr rechnen. In der Landwirtschaft wären zum Beispiel importierte Agrarprodukte 19 Prozent teurer als in einer Welt ohne zusätzlichen Klimawandel.
Die für die Zukunft berechneten Klimakosten seien allerdings mit Vorsicht zu genießen. "Das sind keine genauen Vorhersagen, sondern Szenarien", sagt Britta Stöver. Sie hat für die Studie die zuständige Arbeitsgruppe bei der GWS geleitet. "Man kann sicher sagen, dass die Folgen des Klimawandels schlimmer und die Extremwetter häufiger werden." Dass uns der Klimawandel aber 900 Milliarden Euro kosten könnte, ist laut Stöver ein ziemlich pessimistisches Szenario. "Sehr wahrscheinlich ist eher eine mittlere Entwicklung", sagt sie. Aber auch dann sinkt das Bruttoinlandsprodukt laut ihren Berechnungen immer noch um 530 Milliarden Euro.
Dr. Britta Stöver ist stellvertretende Leiterin des Bereichs „Energie und Klima“ der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Folgen der Klimakrise und der Szenarioanalyse. Für das Projekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ erforschte sie die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels.
Diese hohen Kosten hält auch Claudia Kemfert für realistisch. Die Wirtschaftswissenschaftlerin leitet den Bereich Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Auf die junge Generation kommen praktisch dreifach Lasten zu: Einmal die Kosten des Klimawandels, die Kosten der Anpassung und auch die Maßnahmen, um die Emissionen weiter einzudämmen", sagt sie. Das Problem: Die vorherigen Generationen hätten zu stark auf die fossile Energie vertraut – und die Kosten dafür kämen jetzt zurück.
Andere Länder leiden stärker
Mit einem Staatsbankrott wegen des Klimawandels sei trotzdem nicht zu rechnen. Zusätzlich ist die Bundesrepublik nicht das Land, das die Folgen der Krise am stärksten zu spüren bekommt: "Reiche Volkswirtschaften wie Deutschland haben Möglichkeiten, damit besser umzugehen als ärmere Länder", sagt Kemfert. "Aber wir können uns mangelnden Klimaschutz global nicht leisten, weil wir damit in Kauf nehmen, dass wir ganze Landstriche unbewohnbar machen – und so ärmere Volkswirtschaften gar nicht die Chance haben, weiterhin in dem Umfang bestehen zu können." Am Ende würden die Länder am stärksten darunter leiden, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen hätten – zum Beispiel Afghanistan, Simbabwe, Somalia oder Haiti.
Claudia Kemfert leitet den Bereich Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftspolitik und ist Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Sie beriet den ehemaligen EU-Komissionspräsidenten Manuel Barroso und ist im Sachverständigenrat für Umweltfragen des deutschen Umweltministeriums.
Deutschland könnte wirtschaftlich unter Umständen tatsächlich glimpflich davonkommen: Stöver und ihre Kollegen haben errechnet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt sogar um 20 Milliarden Euro steigen könnte, wenn ein schwaches Klimawandelszenario eintritt – und in Maßnahmen zur Anpassung daran investiert wird. Konkret heißt das: Dämme bauen, Flächen begrünen, Moore wieder vernässen, in Warnsysteme investieren sowie Landwirtinnen und Landwirte mit neuen Bewässerungstechniken besser gegen Dürren wappnen. "Es lohnt sich auf jeden Fall, in Anpassungsmaßnahmen zu investieren. Im besten Fall, also bei nur geringem Klimawandel, können die Kosten des Klimawandels vollständig aufgefangen werden." Extreme Wetterereignisse könnte das zwar nicht verhindern, die Folgen aber deutlich abmildern – im pessimistischen Szenario lägen die Verluste des BIPs dann noch bei 350 Milliarden Euro. Außerdem könnten durch die Investitionen neue Arbeitsplätze entstehen.
Die junge Generation mache Hoffnung
Um zusätzlich den Klimawandel abzuschwächen, braucht es laut Kemfert außerdem eine Abkehr von der fossilen Industrie. Und da kommt wieder die Generation Z ins Spiel: "Es gibt ein wenig Hoffnung durch die junge Generation, die verstärkt auf diese Misere aufmerksam macht", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin. Dass China mehr in E-Autos und die USA mehr in grüne Energien investieren, gäbe ebenfalls Zuversicht. "Der Wandel kann gestaltet werden durch Dinge, die man selbst überall einfordern kann: sei es Transparenz, Information, Berufswahl oder das Hinterfragen von politischen Entscheidungen."
Rebecca Arnoldy-Heimansfeld aus dem Ahrtal versucht, positiv auf ihre Zukunft zu blicken – auch wenn das nicht einfach sei. Die Flut habe ihr gezeigt, dass man gewappnet sein müsse. "Ich glaube schon, dass es nicht mehr so wird, wie es war und dass wir kämpfen müssen", sagt sie. Aber wer kämpft, kann ja auch gewinnen.
Text, Grafik und digitales Storytelling: Kilian Schroeder
Dieser Beitrag gehört zum Projekt der Abschlussklasse S21 der Journalistenschule ifp und ist in Zusammenarbeit mit der Redaktion von WEB.DE und GMX entstanden.